Sex ist weit mehr als nur ein körperlicher Akt. Nicht umsonst greifen wir auf Metaphern und Bilder zurück, um ihn zu beschreiben, statt uns auf nackte Tatsachen zu beschränken. Denn Sex ist eng mit der Fantasie verbunden. Jenseits realistischer Darstellungen eignet sich der Animationsfilm besonders gut, um intime, oft wortlose Empfindungen auf eindrucksvolle und überraschende Weise sichtbar zu machen. So zeigt Lisa Crafts in Desire Pie (1977) den Orgasmus als farbenfrohe Explosion, auf die eine dramatische Schwarzblende folgt. Wie viele Filme in dieser Sammlung konzentriert sich auch dieser Kurzfilm auf das sexuelle Erleben von Frauen und bietet weit mehr als nur die Darstellung des Höhepunkts. Bevor es zum petite mort kommt, werden die Wogen der Lust durch psychedelische Gestalten visualisiert, die sich sinnlich über die Leinwand wiegen oder ekstatisch über sie herfallen.

Nicht, dass die hier versammelten Animationsfilme allesamt subtil wären. Im Gegenteil: Viele dieser Künstler:innen zeigen Mut zur Grenzüberschreitung und widmen sich Themen, die Realfilmregisseur:innen nur selten anzutasten wagen. So schafft Phoebe Jane Hart mit Bug Diner (2024) eine ungenierte NSFW-Komödie mit anthropomorphisierten Insekten- und Tierfiguren, die jedem Publikum – ob Wirbeltier oder nicht – die Schamesröte ins Gesicht treibt.

Der preisgekrönte Film interpretiert ein pornografisches Szenario neu und feiert dabei das wohl geheimnisvollste Element der Lust: die Fantasie. Das Genre des Animationsfilms eröffnet ein weites Feld kreativer Möglichkeiten, um sinnliche Fantastereien ins Bild zu setzen. Michaela Pavlátovás Tram (2012) etwa verwandelt eine alltägliche Fahrt in der Straßenbahn in eine heiße Odyssee für ihre tagträumende Zugführerin. Suzan Pitt wiederum entführt uns mit Asparagus (1979) in eine surreale, bildgewaltige Welt erotischer Visionen. Es ist eine Reise in die Intimsphäre einer Frau, die sich zu einem suggestiv geformten Gemüse hingezogen fühlt.

Ob mit digitalen Techniken, handgezeichneten Illustrationen, bemaltem Zelluloid oder Stop-Motion – die Filmschaffenden dieser Sammlung nutzen das Medium, um gesellschaftliche Tabus rund um Sexualität und Lust herauszufordern. Vom heimlichen Beben der Begierde bis zur orgiastischen Ekstase, von der privaten Selbstfindung bis zur leidenschaftlichen Verschmelzung, zelebrieren diese einzigartigen Kurzfilme die Sinnlichkeit als ein Kaleidoskop von Erfahrungen und Empfindungen – und eröffnen damit neue Perspektiven auf Sex, Lust und Fantasie.